LANDSCHAFT
Von der Stände- zur Volksvertretung
In der Demokratie ist der Wille des ganzen Vokes entscheidend. Da nicht alle Mitglieder der Bevölkerung alle politischen Entscheidungen unmittelbar selbst treffen können, wählen sie eine Vertretung, das Parlament. In Deutschland ist dies der Deutsche Bundestag. Er repräsentiert den Willen der Bürgerinnen und Bürger und spielt eine wesentliche Rolle bei allen wichtigen Entscheidungen, zum Beispiel bei der Gesetzgebung oder bei der Kontrolle der Regierung.
Die Wurzeln dieses parlamentarischen Gedankens gehen bis weit ins Mittelalter zurück. Auch damals, in der noch ständisch organisierten Gesellschaft, waren die Landesherren nicht allmächtig. Es bildeten sich Machtgruppen heraus, die dem Landesherrn gegenüberstanden. Dies waren die mächtigsten und finanzstärksten Stände – Klerus (Klöster und Stifte), Adel und Städte –, die sich zu Interessenvertretungen zusammen, den sogenannten „Landschaften“, zusammenschlossen.
'Die Macht der Landschaften in den einzelnen Territorien gründete sich auf Landbesitz und Vermögen. Sie besaßen das Recht der Steuerbewilligung und erwirkten damit zunehmend politische Mitspracherechte. Ohne die Einwilligung der Landschaft konnte der Landesfürst zum Beispiel keine neuen Steuern erheben oder Gesetze erlassen.
Diese historischen Landschaften verstanden sich selbst als Vertreter der gesamten Bevölkerung, aber sie waren selbstverständlich keine von allen gewählten Vertreter – und sie machten zahlenmäßig nur rund 5-10 % der gesamten Bevölkerung aus.
Bis in das 19. Jahrhundert hinein existierenden Ständegesellschaft waren die Menschen in einen Stand „hineingeboren“, zumindest in den des Adels. Wenn auch die Landschaften vor dem Hintergrund einer anderen Gesellschaftsstruktur entstanden, haben sie doch über Jahrhunderte die Interessen eines Teils der Bevölkerung vertreten. Sie bilden damit eine der Wurzeln des heutigen Parlamentarismus.
Obwohl sie heute keine politische Funktion mehr haben, gibt es in Niedersachsen (auf dem Gebiet des einstigen Landes Hannover) noch heute sechs historische Landschaften, die kontinuierlich seit dem Mittelalter bestehen. Das ist europaweit einzigartig! Ihre Existenz ist in der niedersächsischen Landesverfassung geschützt.
Die Landschaften vom Mittelalter bis heute
1300 bis 1500 - Entstehung
Das Mittelalter war geprägt von Kämpfen um politische Macht. Einerseits versuchten die Landesherren ihre Territorien zu vergrößern und mächtige Gruppen der Bevölkerung an sich zu binden, um sie von eigenen Machtbestrebungen abzuhalten. Andererseits konnten sich Klerus, Adel und Städte aufgrund ihrer ökonomischen Stärke gegenüber den Landesherren behaupten. Sie schlossen sich als Korporation (Vereinigung) in sogenannten Landschaften zusammen und bauten nach und nach ihren politischen Einfluss aus. Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Landschaft im Fürstentum Lüneburg erstmals das Recht der Vertretung der Bevölkerung schriftlich zuerkannt und die Abhaltung von Landtagen – damals noch unter freiem Himmel – bewilligt.
Hier können Sie sich die Lüneburger Sate zum Lesen in hoher Auflösung ansehen.
1500 bis 1700 – Veränderung
Die Reformation und der Dreißigjährige Krieg hatten nachhaltige Auswirkungen auf die Zusammensetzung und Organisation der Landschaften. Durch die Auflösung der Klöster wuchs der Einfluss des Adels innerhalb der Landschaften. Zudem fand die Beratung und Beschlussfassung politischer Entscheidungen nicht mehr vorrangig während der Landtage statt. Die zunehmend differenzierter werdenden landesherrlichen Aufgaben wurden nun in landschaftlichen Ausschüssen beraten, was eine schnellere Abstimmung ermöglichte und die dauerhafte politische Mitsprache der Landschaften sicherte.
1700 bis 1800 - Neuorientierung
Während der Zeit der Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien (1714– 837) residierte der Landesherr als britischer König in London. Politische Entscheidungen wurden vorrangig von der dort ansässigen Deutschen Kanzlei in London und den Ministerien in Hannover getroffen. Die jahrelange Abwesenheit des Landesherrn führte dazu, dass sich die Landschaften in ihren jeweiligen Regionen neue Tätigkeitsbereiche erschlossen, so engagierten sie sich unter anderem im Bereich der sozialen Fürsorge, etwa in der Unterstützung von Waisenhäusern und Hebammenanstalten. Vor allem aber gründeten sie die ersten Feuerversicherungen, die Brandkassen. Wesentliche landesherrliche Aufgaben in Justiz, Verwaltung und Militär wurden durch Adlige wahrgenommen.
1800 bis 1900 – Infragestellung
Das 19. Jahrhundert war geprägt von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, ausgelöst durch die Französische Revolution. Die verbreitete Forderung nach bürgerlichen Rechten und politischer Teilhabe stellte auch die Existenz der Landschaften in Frage. Deswegen waren sie bereit, unter anderem den Zugang für Teile des wohlhabenden Bürgertums sowie landbesitzende Bauern zu lockern. Dennoch hielten sie mit ihren Statuten und Verfassungen grundsätzlich an ihren alten ständischen Vorrechten und Strukturen fest.
1900 bis 2000 – Neuerfindung
Landschaften als Abbild der Ständegesellschaft entsprachen weder dem demokratischen Verständnis der Weimarer Republik noch dem der Bundesrepublik Deutschland. Dem Bestreben des Staates, die Landschaften aufzulösen, konnten sie jedoch mit ihrem Verzicht auf politische Teilhabe abwehren. Stattdessen engagierten sie sich zunehmend auf dem Gebiet der regionalen Kulturförderung. Bis heute tragen die Historischen Landschaften mit ihrem Engagement zum Erhalt von regionaler Kultur und Tradition bei. Dabei wird ihr Fortbestand in der Verfassung Niedersachsens langfristig geschützt.
2019 – Zusammenschluss zum „Verbund der Historischen Landschaften“
Der Verbund vereint die Historischen Landschaften auf dem ehemaligen Gebiet des Königreichs Hannover. Er ist überparteilich und überkonfessionell organisiert. Der Verbund soll vor allem das vielfältige Engagement der Historischen Landschaften für Gemeinwohl und regionale Kultur einer breiten Öffentlichkeit bewusstmachen.
Die Landschaften vom Mittelalter bis heute
Das Mittelalter war geprägt von Kämpfen um politische Macht. Einerseits versuchten die Landesherren ihre Territorien zu vergrößern und mächtige Gruppen der Bevölkerung an sich zu binden, um sie von eigenen Machtbestrebungen abzuhalten. Andererseits konnten sich Klerus, Adel und Städte aufgrund ihrer ökonomischen Stärke gegenüber den Landesherren behaupten. Sie schlossen sich als Korporation (Vereinigung) in sogenannten Landschaften zusammen und bauten nach und nach ihren politischen Einfluss aus. Ende des 14. Jahrhunderts wurde der Landschaft im Fürstentum Lüneburg erstmals das Recht der Vertretung der Bevölkerung schriftlich zuerkannt und die Abhaltung von Landtagen – damals noch unter freiem Himmel – bewilligt.
Hier können Sie sich die Lüneburger Sate zum Lesen in hoher Auflösung ansehen.
Die Reformation und der Dreißigjährige Krieg hatten nachhaltige Auswirkungen auf die Zusammensetzung und Organisation der Landschaften. Durch die Auflösung der Klöster wuchs der Einfluss des Adels innerhalb der Landschaften. Zudem fand die Beratung und Beschlussfassung politischer Entscheidungen nicht mehr vorrangig während der Landtage statt. Die zunehmend differenzierter werdenden landesherrlichen Aufgaben wurden nun in landschaftlichen Ausschüssen beraten, was eine schnellere Abstimmung ermöglichte und die dauerhafte politische Mitsprache der Landschaften sicherte.
Während der Zeit der Personalunion zwischen Hannover und Großbritannien (1714– 837) residierte der Landesherr als britischer König in London. Politische Entscheidungen wurden vorrangig von der dort ansässigen Deutschen Kanzlei in London und den Ministerien in Hannover getroffen. Die jahrelange Abwesenheit des Landesherrn führte dazu, dass sich die Landschaften in ihren jeweiligen Regionen neue Tätigkeitsbereiche erschlossen, so engagierten sie sich unter anderem im Bereich der sozialen Fürsorge, etwa in der Unterstützung von Waisenhäusern und Hebammenanstalten. Vor allem aber gründeten sie die ersten Feuerversicherungen, die Brandkassen. Wesentliche landesherrliche Aufgaben in Justiz, Verwaltung und Militär wurden durch Adlige wahrgenommen.
Das 19. Jahrhundert war geprägt von politischen, sozialen und wirtschaftlichen Veränderungen, ausgelöst durch die Französische Revolution. Die verbreitete Forderung nach bürgerlichen Rechten und politischer Teilhabe stellte auch die Existenz der Landschaften in Frage. Deswegen waren sie bereit, unter anderem den Zugang für Teile des wohlhabenden Bürgertums sowie landbesitzende Bauern zu lockern. Dennoch hielten sie mit ihren Statuten und Verfassungen grundsätzlich an ihren alten ständischen Vorrechten und Strukturen fest.
Landschaften als Abbild der Ständegesellschaft entsprachen weder dem demokratischen Verständnis der Weimarer Republik noch dem der Bundesrepublik Deutschland. Dem Bestreben des Staates, die Landschaften aufzulösen, konnten sie jedoch mit ihrem Verzicht auf politische Teilhabe abwehren. Stattdessen engagierten sie sich zunehmend auf dem Gebiet der regionalen Kulturförderung. Bis heute tragen die Historischen Landschaften mit ihrem Engagement zum Erhalt von regionaler Kultur und Tradition bei. Dabei wird ihr Fortbestand in der Verfassung Niedersachsens langfristig geschützt.
2019 – Zusammenschluss zum „Verbund der Historischen Landschaften“
Der Verbund vereint die Historischen Landschaften auf dem ehemaligen Gebiet des Königreichs Hannover. Er ist überparteilich und überkonfessionell organisiert. Der Verbund soll vor allem das vielfältige Engagement der Historischen Landschaften für Gemeinwohl und regionale Kultur einer breiten Öffentlichkeit bewusstmachen.
Landschaften und Landschaftsverbände
Nicht zu verwechseln sind historische Landschaften mit Landschaftsverbänden. Letztere gibt es deutschlandweit. Während die historischen Landschaften eine Tradition seit dem Mittelalter vorweisen können, haben sich die meisten Landschaftsverbände erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gegründet. Die Vertreter der Landschaftsverbände sind zudem unabhängig von Grundbesitz oder Vermögen demokratisch gewählt.
Oft treten historische Landschaft und Landschaftsverband eines Gebietes parallel auf. Die historischen Landschaften sind Mitglieder der Verbände und wirken in ihnen mit. Die Aufgaben beider Institutionen beschränken sich heute auf Kulturförderung.