Den echten Sammler erkennt man nicht an dem, was er hat, sondern an dem, worüber er sich freuen würde.
Zur Sammlungsgeschichte
Vom „Klein-Versailles“ zur historisch gewachsenen Residenz
Die Sammlungsgeschichte des heutigen Residenzmuseums ist Teil einer längeren Entwicklung, die sowohl die wechselnden Funktionen der Schlossräume und der damit verbundenen Zuständigen widerspiegelt, als auch unterschiedliche Konzeptionen von „Landesgeschichte“ im Laufe der Zeit.
Da das Residenzmuseum strukturell und rechtlich eine Abteilung des Bomann-Museums Celle ist, sind Geschichte und Entwicklung der Sammlung eng mit diesem verbunden. Die Gründung des Bomann-Museums als „Vaterländisches Museum“ 1892 ist historisch auch vor dem Hintergrund des Endes des Königreichs Hannover 1866 zu sehen. Im Fokus einer „Landesgeschichte“ standen damals im Wesentlichen Fürstenporträts und militärhistorische Objekte mit Bezug zur Hannoverschen Armee. Von einer systematischen landesgeschichtlichen Sammlung kann zu diesem Zeitpunkt noch nicht gesprochen werden. Einen Schwerpunkt der Ausstellung bildete die Ehrenhalle der Hannoverschen Armee im Bomann-Museum.
Schlossräume
Das Schloss als Ort „musealer Präsentation“ geriet in den Blickpunkt, als dort 1934 das Landeserbhofgericht eröffnet wurde. Hierfür war man bemüht gewesen, sowohl das Schlosstheater als auch die barocken Paradegemächer möglichst repräsentativ wiederherzurichten. Da kein authentisches Mobiliar im Schloss mehr erhalten war, begannen 1938 Verhandlungen der Stadt Celle mit der Generalverwaltung des vormalig regierenden Preußischen Königshauses, um Möbel und Gemälde aus Berliner Schlössern anzukaufen.
Bei den angebotenen Stücken handelte es sich um Möbel des (überwiegend späten) 19. und des frühen 20. Jahrhunderts aus der Regierungszeit Friedrich Wilhelms IV. und der nachfolgenden drei deutschen Kaiser. Bis 1941 wurden ca. 260 Positionen Möbel und Gemälde aus Berlin nach Celle verkauft. Sie stammten aus verschiedenen Berliner Schlössern (Palais Wilhelms I., Charlottenburg, Neues Palais, Schloss Schwedt, Stadtschloss Potsdam, Marmorpalais, Bildergalerie Sanssouci etc.).
Während es sich bei den Gemälden überwiegend um Objekte des 17. und 18. Jahrhunderts handelt, waren die Möbel größtenteils historistisch dem Barock nachempfunden. Mit ihnen wurden die Paradegemächer des Schlosses als eine Art „Klein Versailles“ (u.a. mit einem Spiegel- und einem Porzellankabinett“) ausgestattet, was dem historischen Charakter der Räume nicht entsprach. Die Möbel und Gemälde gingen in das Eigentum der Stadt Celle über.
Beginn einer wissenschaftlichen Beschäftigung mit den historischen Schlossräumen
Im Zuge der Sanierung und Restaurierung des Celler Schlosses durch das Staatshochbauamt und die Denkmalpflege des Landes Niedersachsen wurde u.a. die Bedeutung der frühbarocken Paradegemächer erkannt. Gemeinsam mit der Museumsleitung wurde entschieden, diese Räume wieder ihrem eigentlichen Charakter entsprechend einzurichten, d.h. mit zeitlich und regional passendem Barockmobiliar. Um dieses auf dem Kunstmarkt nach und nach erwerben zu können, wurde beschlossen, ein Großteil der Berliner Bestände (insgesamt 136 Möbel) wieder nach Berlin zu verkaufen.
Die Verhandlungen führte auf offizieller Seite der Celler Oberbürgermeister Dr. Severin und auf Berliner Seite der Senator für Kulturelle Angelegenheiten, v. Pufendorf. Inhaltlich und organisatorisch wurde die Maßnahme in Berlin durch den Direktor der Stiftung Preußischer Schlösser und Gärten, Prof. Julier, und vor allem den damaligen Schlösserdirektor Dr. Winfried Baer sowie auf Celler Seite durch den Museumsdirektor Dr. Frank Otten geleitet. Die Ermittlung der Verkaufspreise erfolgte durch einen gemeinsam bestellten Gutachter, den früheren Direktor des Hamburgischen Museums für Kunst und Gewerbe, Prof. Hermann Jedding.
Historischer Anlass dieser Rückführung war 1987 das 750jährige Stadtjubiläum Berlins. Die Verkaufssumme war durch die Stiftung Deutsche Klassenlotterie bereitgestellt worden. In Celle wurden die Mittel aus dem Verkauf anschließend zweckgebunden für den Ankauf barocken Mobiliars und Inventars für das Celler Schloss.
Erste landesgeschichtliche Präsentation 1996
Der sukzessive Aufbau einer landeshistorischen Sammlung, die alle wesentlichen Vorgängerstaaten des Landes Niedersachsen dokumentiert (Fürstentum Lüneburg, Herzogtum Braunschweig-Lüneburg, Kurfürstentum Hannover, Königreich Hannover) begann erst in den 1970er Jahren. Die damit einhergehende Planung einer Zusammenfassung der landeshistorischen und militärhistorischen Bestände und deren erstmalige Präsentation im Celler Schloss konnte 1996 realisiert werden.
Sammlungspräsentation im Kontext der Residenzgeschichte
2004 wurde die Umgestaltung der landesgeschichtlichen Dauerausstellung zum Residenzmuseum im Celler Schloss entschieden. Das in den Jahren 2005 bis 2007 umgesetzte Konzept fußt im Wesentlichen auf einer doppelten Aufgabenstellung: Darstellung der Geschichte der Celler Residenz in seiner Bau- und Nutzungsgeschichte im Kontext der hannoverschen Landes- sowie der europäischen Residenzgeschichte.
Damit hat sich der Schwerpunkt des Sammlungs- und Ausstellungskonzeptes auf die Residenzgeschichte Celles und die damit verbundene Bau- und Nutzungsgeschichte des Celler Schlosses sowie auf die allgemeine Herrschaftsgeschichte und Zeremonialforschung verlagert. Heute umfasst die kuratorische Betreuung im Schloss auch die weiteren, öffentlich zugänglichen Schlossräume wie die Schlossküche und die Kapelle.
Gliederung und Umfang des Sammlungsbestandes
Die landesgeschichtliche Sammlung umfasst im Kern den Zeitraum von ca. 1300 bis 1866 und orientiert sich an den Phasen der Ausbildung Celles zur Residenz (1292–1433), Celles Residenzzeit (1433–1705) und der Rolle Celles nach 1705 innerhalb des Kurfürstentums und späteren Königreichs Hannover. Einen Sonderbestand nimmt das Schlossinventar selbst ein, insbesondere Mobiliar, weiteres Inventar und Baufunde. Es befindet sich zum großen Teil im Eigentum der Stadt Celle (Mobiliar) und des Landes Niedersachsen (Baufunde). Die Objekte werden in konservatorischer, restauratorischer sowie wissenschaftlicher Sicht durch das Bomann-Museum bzw. Residenzmuseum betreut.
Schwerpunkte
Herausragende Bedeutung in der landesgeschichtlichen Sammlung haben insbesondere diejenigen Exponate, die eng mit der Herrschergeschichte des Fürstentums Lüneburg verbunden sind. Hierzu gehören Objekte aus dem persönlichen Besitz oder dem (kultur-)historischen Umfeld der hier regierenden Herzöge.
Einen weiteren Schwerpunkt setzt die Sammlung mit Bezug auf die dänische Königin Caroline Mathilde. Ausgangspunkt ist hier die Ende 1959 erworbene Sammlung des Kopenhagener Bibliothekars Svend Aage Meyer. Sie ist die umfassendste Sammlung an Gemälden, Grafiken und druckgrafischen Blättern zur sogenannten Struensee-Affäre von 1772 und umfasst darüber hinaus rund 500 Publikationen zu diesem Thema vom 18. bis zum 21. Jahrhundert.
Die Silberkammer der Celler Residenz
Die historische Silberkammer der Celler Herzöge bildet einen weiteren Sammlungsschwerpunkt. Bedeutende Erwerbungen seit 2009 und damit einhergehende Forschungen haben gezeigt, dass sich noch heute wesentliche Silberobjekte mit Bezug zum Neuen Haus Lüneburg in internationalen Sammlungen und Museen befinden. Auch in diesem Bereich soll die Sammlung erweitert werden.
Geschichte des Schlosses im 19. und 20. Jahrhundert
Ein weiteres Desiderat ist die Dokumentation der Geschichte des Schlosses und seiner Funktion nach 1866 bis in die Gegenwart. Dabei spielt auch der Blick auf die eigene Geschichtspräsentation eine wichtige Rolle. Vergangene Konzepte von „Schlossräumen“, ihr Wandel und ihre Dokumentation in bildlichen Zeugnissen bilden ein weiteres Sammlungsgebiet.