KRITIK

Kritik trägt dazu bei, Politik und Gesellschaft langfristig zu verändern. Sie ist ein zentrales Element der Demokratie, durch das alle Bürgerinnen und Bürger an der Politik teilhaben, z.B. über Petitionen oder Wahlen. Auch die politische Opposition ist ein fester Bestandteil demokratischer Parlamente und begleitet die jeweils aktuelle Politik kritisch. Kritik ermöglicht Diskussion und Weiterentwicklung. Weltweit gibt es jedoch weit mehr Herrschaftssysteme, in denen Kritik eingeschränkt wird und sogar strafbar ist.

Auch in früheren Jahrhunderten wurde Kritik meist gewaltsam unterdrückt und brach sich in Europa schließlich in verschiedenen Revolutionen Bahn. Insbesondere die Französische Revolution von 1789 war Ausgangspunkt für tiefgreifende Veränderungen der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Ordnung.

Die HörGeschichte „Schlagabtausch“ verarbeitet ein historisches Ereignis: 1792 richteten sich die „Viermänner“, eine Abordnung von Handwerkern, an die Lüneburger Landschaft und forderten mehr politische Teilhabe – fanden aber wenig Gehör:

1848
Bürger begehren auf

 

1833 war erstmals eine Art Grundgesetz für das Königreich Hannover beschlossen worden, das „Staatsgrundgesetz“. Es eröffnete Bürgern und Bauern einen Zugang zur Ständeversammlung – Wege der Mitbestimmung, die mit einer stärkeren Kontrolle des Königs einhergingen.
Als 1837 König Ernst August (der als erster König nach der Personalunion mit Großbritannien wieder in Hannover residierte) die Regierung übernahm, hob er das Staatsgrundgesetz wieder auf. Doch die Menschen nahmen dies nicht mehr kritiklos hin! Die Celler Bürger organisierten sich daraufhin in einer Bürgerwehr gegen ihren Landesherrn. Und einige forderten auch eine Öffnung der Landschaft für nichtadelige Mitglieder.

Diese Trommel der Celler Bürgerwehr, die sie bei ihren Protestumzügen nutzte, steht in der Ausstellung als Symbol der Kritik. Trommeln sind bis heute auch Instrumente des Protestes. Sie erzeugen Aufmerksamkeit und geben – wie im Militär – den Takt des Marschierens vor.

Die Frankfurter Nationalversammlung, die in der Paulskirche tagte, entwarf eine erste Reichsverfassung mit demokratischen Elementen, weshalb die Nationalversammlung als ein Vorläufer der späteren demokratischen Parlamente in Deutschland gilt. Auf dem Plan sind die Namen der Abgeordneten wiedergegeben. Jeder Staat des Deutschen Bundes schickte Abgeordnete in die Nationalversammlung, die von der jeweiligen Bevölkerung gewählt worden waren.

Kritik kann auf sehr unterschiedliche Weise Ausdruck finden, von der offenen Protestaktion, einer öffentlichen Meinungsbekundung, der Demonstration bis hin zu künstlerischen Aktionen oder der Satire. An einer Medienstation können verschiedene Filmbeispiele erkundet werden.

Heute engagieren sich Bürgerbewegungen für oder gegen bestimmte Projekte. In einer Demokratie gehören sie zu den legitimen Formen der außerparlamentarischen Meinungsbildung. Doch der Weg dahin war lang: Die Holzschuhe symbolisieren den Beginn der Forderung nach parlamentarischer Mitbestimmung der arbeitenden Bevölkerung.

Die Plakate der Celler „Fridays for Future“- Gruppe drücken die Kritik an der bestehenden Klimapolitik auf kreative Weise aus.

Moorholzschuhe

Kritik ist kein Alleinstellungsmerkmal der Demokratie. Auch in vordemokratischer Vergangenheit gab es Momente, in denen sich die Kritik ihren Weg bahnte und Menschen die bestehende gesellschaftliche Ordnung anprangerten. Allerdings war (und ist) Kritik nicht immer und überall erwünscht.

Diese Holzmoorschuhe stehen stellvertretend für den langen Weg, den die unteren Schichten in Richtung Teilhabe gehen mussten.

Momente der Kritik

Vom Mittelalter bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war das Leben der Menschen vor allem geprägt durch ihren Stand. Man ging von einer gottgewollten
Ordnung aus, bestehend aus Klerus, Adel, dem 3. Stand der Bauern und Handwerker und den Rechtslosen. Ein Aufstieg war in diesem System so gut wie unmöglich. Dennoch gab es vereinzelt Momente der Kritik, so beispielsweise im Deutschen Bauernkrieg im Jahr 1525. Dabei protestierten unfreie Bauern gegen ihre Leibeigenschaft. Das sogenannte Bauernparlament forderte einige bekannte Grundrechte schon lange vor der Französischen Revolution.

 

Weltbildwandel und Revolution

Auch die Reformation im 16. Jahrhundert basiert auf einem Moment der Kritik – auf Luthers Beanstandung der Zustände und Korruption in der Kirche. Sie war ein Schritt hin zum Aufbrechen bestehender Strukturen. Mit dem Aufkommen von Aufklärung und Humanismus verstärkte sich dieser Bruch noch, das Individuum rückte in den Vordergrund und die alte Ständeordnung wurde nach und nach aufgeweicht. Die Französische Revolution mit ihrer Forderung nach Gleichheit und Freiheit war Höhepunkt dieser Entwicklung.

 

 

Lebenswandel und Revolution

Wachsende Wertschätzung des Individuums und die Industrielle Revolution zeigten, dass die Ordnung nicht mehr als „gottgewollt“ zu verstehen, sondern durch die Verteilung von Geld und Produktionsmitteln geregelt war. Prekäre Lebensbedingungen in den wachsenden und überfüllten Städten führten zum Zusammenschluss der Arbeiterbewegung, die gegen Ausbeutung sowie schlechte Lebens- und Arbeitsbedingungen protestierte. Die Arbeiter gründeten Gewerkschaften, die erheblichen Druck auf die Arbeitgeber ausübten und mit der Zeit mehr und mehr Arbeitsrechte sicherten.

 

Nation und Revolution

Im 19. Jahrhundert kam es zu einer generellen Politisierung der Bevölkerung. Versuche, Freiheiten und Rechte durch Zensur und Überwachung wieder einzuschränken, um die Macht der Territorialherren zu stärken, führten 1848 zur Märzrevolution. Das Volk forderte einen Nationalstaat mit umfangreichen Grundrechten, wie z.B. die Meinungsfreiheit. Sie wurden durch die erste Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche beschlossen. Auch wenn die Märzrevolution letzten Endes scheiterte, bestehen viele ihrer erstrittenen Rechte in unserer heutigen Verfassung fort und das Parlament der Nationalversammlung war ein großer Schritt in Richtung Teilhabe.

Kritisch:
Bildung und Medien(-revolution?)

Kritik wurde, insbesondere ab dem 19. und 20. Jahrhundert immer mehr Teil des gesellschaftlichen Systems – nicht jedoch ohne Rückschläge während des Nationalsozialismus oder der deutschen Teilung. Heute ist Kritik in unserer Demokratie unverzichtbar, sie ist sogar erwünscht. Dazu war es – dank der vielseitigen technischen Innovationen – nie einfacher, sich zu organisieren oder seine Kritik zu veröffentlichen. Das Internet bietet jedem von uns eine zugängliche Plattform. Echte Kritik zu üben erfordert aber auch, umfassend informiert zu sein. Bildung und Kritik sind daher eng verknüpft, denn mit Kritik kommt auch Verantwortung.